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Unlearn Patriarchy 1 und 2

Das Patriarchat verlernen? Gar nicht so einfach! Deshalb gibt es auch schon zwei Anthologien mit Essays von Expert*innen rund um Feminismus, Rassismus, Ableismus und viele weitere Themen aus feministischer Perspektive. Ich stelle euch "Unlearn Patriarchy" und "Unlearn Patriarchy 2" genauer vor.


Covers von Unlearn Patriarchy 1 und 2 - Lisa Jaspers, Naomy Ryland, Emilia Roig, Alexandra Zykunov, Silvie Horch (Hrsg.) (Ullstein 2022/2024)

"Es ist die Stimme des Patriarchats, die uns bestraft, wenn wir es wagen, ein selbstbestimmtes Leben führen zu wollen, wenn wir aus den vorgeschriebenen Rollen und gesellschaftlichen Erwartungen auszubrechen versuchen." ~ Lisa Jaspers, S. 11

In "Unlearn Patriarchy" sind 15 Essays versammelt, die gegen diese "Stimme des Patriarchats" anschreiben.

Die Beiträge stammen von so unterschiedlichen Autor*innen wie Kübra Gümüşay (vgl. "Sprache und Sein"), Linus Giese (vgl. "Brüste"), Laura Gehlhaar, Teresa Bücker, Madeleine Alizadeh, Olaolu Fajembola & Tebogo Nimindé-Dundadengar (vgl. "Gib mir mal die Hautfarbe"). Angesprochen werden die Themen Sprache, Gender, Liebe und Sex, Familie, Rassismus, Identität, Bildung, Kapitalismus, Politik und Macht, Geld und Technologie. Sie alle sind durchdrungen von patriarchalen Strukturen und alltäglichen Praktiken und immer wieder wird auch deutlich, wie gross die Schnittstellen unterschiedlicher Diskriminierungsformen von Sexismus, über Rassismus und Klassismus, bis zu Ableismus und Transfeindlichkeit sind.


Wer schon so einiges über Feminismus und die Mechanismen des Patriarchats gelesen hat, für die*den wird vieles in "Unlearn Patriarchy" nicht gänzlich neu sein. Aber trotzdem ist es gut, sich so einige Zusammenhänge nochmals vor Augen zu führen. Und an einigen Stellen habe ich auch noch Neues oder Vertiefendes gelernt und nehme auch einige Ideen zum "Unlearnen des Patriarchats" mit. Insbesondere in Sachen Politik fühle ich mich von Kristina Lunz bestätigt, die sagt:


"Politik zu unlearnen heißt deshalb, die Trennung von Öffentlich versus Privat aufzulösen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass diese Konstruktion patriarchal ist, um Frauen zu einflusslosen politischen Objekten zu degradieren." ~ Kristina Lunz, S. 182

Und dass es deswegen wichtig ist, zu erkennen, dass Politik nicht nur in Parlamenten, Regierungen und Ministerien stattfindet, sondern auch durch Aktivismus, zivilgesellschaftliches Engagement und das Sprechen über das "angeblich" Private, das eben auch politisch ist.


Es gibt noch viel zu "unlearnen"

"Unlearn Patriarchy 2" führt das Konzept des ersten Bandes weiter, denn wie die Herausgeber*innen im Intro festhalten, können ein Buch, ein paar gute Ideen und zwei ins Land geflossene Jahre nicht das Patriarchat abschaffen. Konsequenterweise haben die drei Herausgeberinnen des ersten Bandes auch gleich die Herausgeberschaft angepasst. Neu wird Silvie Horch ergänzt um Emilia Roig und Alexandra Zykunov. Auch thematisch gibt es hier in 13 Essays nochmals Neues zu entdecken. Etwa von Rebecca Maskos zu Ableismus, Asha Hedayati zum Thema Recht, von Saboura Naqshband zu Klasse, von Melina Borčak zum Thema Krieg und Genozid oder Nicole Seifert zum Thema Literatur (vgl. auch "Frauen Literatur" und "Einige Herren sagten etwas dazu").


"...lesen wir im hebräischen Urtext, dass Gott* die Menschen zu Gottes* Ebenbild schafft in einem Spektrum von Mann und Frau. Ein Spektrum deswegen, weil auch alles andere in den Schöpfungsberichten in einem Spektrum beschrieben wird: Tag und Nacht, Himmel und Erde, Land und Meer. Und alles und alle Geschlechter dazwischen wurden eben auch geschaffen."  ~ Sarah Vecera, S. 501

Besonders spannend fand ich unter anderem Sarah Veceras Beitrag über die (christliche) Kirche und den entlarvenden (und erfrischenden) nicht-weissen, nicht-eurozentristischen, nicht-männlichen Blick der Autorin auf die Geschichten und Botschaften der Bibel sowie deren Umsetzung im System Kirche.


"Wirkliche Neutralität kann es in einem diskriminierenden System nicht geben, vielmehr werden die Ungerechtigkeiten dieses Systems immer mit aufrechterhalten, indem sie im Namen vermeintlicher Neutralität ausgeblendet werden." ~ Asha Hedayati, S. 256

Das obige Zitat von Asha Hedayati und auch die anderen Essays machen sehr deutlich, dass sich das Patriarchat durch ALLE Lebensbereiche zieht und mit so vielen anderen -ismen zusammenspannt, dass die allermeisten (sogar privilegierte weisse cis-hetero Männer) gut daran täten, es endlich abzuschaffen. Es wird klar, dass wir uns den patriarchalen Strukturen und Mechanismen gar nicht entziehen können. Neutralität gibt es in diesem Zusammenhang schlicht nicht und deshalb sollten wir uns stolz als Feminist*innen bezeichnen und etablierte Systeme und Machtverhältnisse immer kritisch aus feministischer Perspektive beleuchten.



Fazit

Ich kann die Lektüre von "Unlearn Patriarchy" und "Unlearn Patriarchy 2" nur allen empfehlen: egal, ob bereits selbsternannte*r Feminist*in oder noch im patriarchalen Happyland unterwegs. Aus diesen feministischen Anthologien nehmen alle etwas mit und wenn es "nur" neue Perspektiven auf unser gesellschaftliches Zusammenleben, die Politik und die Wirtschaft sind. Noch schöner wäre es natürlich, wenn wir aus den erhellenden, teils provokativen, manchmal witzigen und oft wütend machenden Essays den nötigen Schub mitnehmen, um das Patriarchat im eigenen Alltag und wo wir uns halt so bewegen - z. B. in der Literaturwelt, in der Elterngruppe der Kita, einem Sportverein oder am Arbeitsplatz - sichtbar zu machen, zu kritisieren und schliesslich zu unlearnen.




Die Fakten

Lisa Jaspers, Naomi Ryland, Silvie Horch (Hrsg.)

Kübra Gümüşay, Linus Giese, Emilia Roig, Lena Marbacher, Friederike Otto, Laura Gehlhaar, Teresa Bücker, Madeleine Alizadeh, Olaolu Fajembola, Tebogo Nimindé-Dundadengar, Margret Rasfeld, Lisa Jaspers, Kristina Lunz, Ise Bosch, Kenza Ait Si Abbou, Naomi Ryland (Texte)

Ullstein Verlag

320 Seiten

Erschienen am 01.09.2022

Hardcover (auch im Taschenbuch erhältlich)

ISBN: 978-3-550-20219-3





Emilia Roig, Alexandra Zykunov, Silvie Horch (Hrsg.)

Yassamin-Sophia Boussaoud, Karin Hartmann, Anne Dittmann, Ireti Amajo, Rebecca Maskos, Asha Hedayati, Miriam Davoudvandi, Saboura Naqshband, Alexandra Zykunov, Melina Borčak, Sarah Vecera, Mandy Mangler & Gonza Ngoumou, Nicole Seifert (Texte)

Ullstein Verlag

352 Seiten

Erschienen am 14.03.2024

Hardcover

ISBN: 978-3-550-20277-3




PS: Herzlichen Dank an den Ullstein Verlag und an NetGalley DE für die digitalen Rezensionsexemplare. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die digitalen Ausgaben und weichen deshalb von den Printausgaben ab.



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