Steck mal in meiner Haut! Antirassismus, Aufklärung und Empowerment
Mit "Steck mal in meiner Haut!" bieten Saskia Hödl, Pia Amofa-Antwi und Emily Claire Völker Eltern und Pädagog*innen ein Sachbilderbuch, mit dem sie schon mit Kindern ab 5 Jahren ins Gespräch über Rassismus und Antirassismus kommen kann.
Die Autorinnen legen die Basis für die jungen Zuhörer*innen, indem sie über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Menschen rund um den Erdball sprechen. Alle haben wir dieselben Rechte, Menschenrechte! Aber wir sehen unterschiedlich aus und erleben unterschiedliche Dinge. Und auch unsere eigene Persönlichkeit ist sehr facettenreich und verändert sich manchmal mit der Zeit.
Auf dieser Grundlage erklären Saskia Hödl und Pia Amofa-Antwi einfach und kindgerecht, was Rassismus ist:
"Wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, weil sie eine andere Religion haben oder woanders geboren wurden, schlecht behandelt werden, nennt man das Rassismus." (S. 9)
Rassismus erkennen und klar dagegen einstehen!
Sie gehen darauf ein, wie sich Rassismus anfühlt, weshalb er ungerecht ist und wie wir versuchen können, die Welt gerechter zu gestalten. Die einfachen Passagen für Kinder werden - wie in anderen Büchern der Reihe - ergänzt um vertiefende Informationen für Eltern und Pädagog*innen. Sie unterstützen das Vorlesen des Buches und das Sprechen über das Gelesene und eigene Erfahrungen und Strategien im Umgang mit rassistischem Verhalten.
So erfahren Eltern etwa, dass es bei Rassismus um mehr als um Vorurteile geht. Die Kombination mit Macht ist es, die Vorurteile so toxisch macht und zu individueller und gesellschaftlicher Diskriminierung führt. Eltern und anderen Bezugspersonen wird auch Mut gemacht, über Rassismus zu sprechen, hinzuschauen, die Gefühle Betroffener nicht kleinzureden, Verantwortung zu übernehmen und Rassismus zu benennen.
In der Folge geht es um die Einzigartigkeit jedes Menschen und um seine jeweiligen Grenzen - ob es nun um das Anfassen von Haaren geht oder das Beantworten unangebrachter oder übergriffiger Fragen, zum Beispiel zur Herkunft oder zur Familie. Auch der Umgang mit Namen, die uns vielleicht nicht so geläufig sind, wird thematisiert - eine Grundlektion in respektvollem Verhalten, nicht nur, aber natürlich auch im Zusammenhang mit Rassismus.
Schwere Themen leicht verständlich vermittelt
Toll finde ich auch, dass das Thema Fasnacht, Fasching, Karneval, Halloween (man könnte auch Mottopartys dazuzählen) angesprochen wird und zwar ohne die Abbildung stereotyper Verkleidungen. Ebenso kommen problematische Kinderlieder, Bücher und Spielsachen zur Sprache.
Nach einem Ausflug in unterschiedliche Küchen, Wohnformen und Religionen geht es um Migration und Flucht und auch die Problematik der Gastarbeiter*innen (auch Kontingentflüchtlinge, Aussiedler*innen, Vertragsarbeiter*innen). Auch die schweren Themen von Kolonialismus, Sklaverei und Holocaust (bzw. Shoah) werden nicht ausgespart, aber vereinfacht und ohne Gewaltdarstellungen vermittelt.
Besonders spannend finde ich die Doppelseite mit Kulturgütern, die sich irgendwo auf der Welt befinden. Dazu könnte man eine tolle Schulstunde gestalten! Wusstet ihr zum Beispiel, dass sich die Federkrone Moctezumas im Weltmuseum Wien befindet? Erst 2021 hatte Österreich eine Leihe an Mexiko zum Gedenken an den Fall der Aztekenhauptstadt Tenochtitlan an die Spanier vor 500 Jahren abgelehnt (vgl. Salzburger Nachrichten, 15.08.2021).
Aufstehen gegen Rassismus
Abschliessend geht es darum, sich gegen Rassismus einzusetzen, sei es nun im Alltag, durch das Gedenken an rassistische Verbrechen oder durch den politischen Einsatz gegen Rassismus (zum Beispiel in Form von Statuen oder Strassennamen).
Das Buch schliesst mit einem für die Erwachsenen sehr wertvollen Glossar, das auch nochmals einige Zusatzinformationen zumindest anreisst. Weiterlesen kann man zum Beispiel in "Gib mir mal die Hautfarbe" oder für seine eigene antirassistische Bildung in "Exit Racism" oder "Und jetzt du!" von Tupoka Ogette.
Die Vielfalt spiegelt sich in den Bildern
Die Illustrationen von Emily Claire Völker sind sehr vielfältig - natürlich in Bezug auf unterschiedliche Hauttöne, aber auch unterschiedliche Körperformen, Behinderungen, Religionen, Kleidungsstile und Körperschmuck (wie Tattoos), Familienformen oder klischeefreie Geschlechterrollen (z. B. sorgende Väter).
Das Buch verwendet Selbstbezeichnungen wie BIPoC und Schwarz und ist gendersensibel formuliert. Bei Ersterem finde ich es etwas schade, dass weiss und Weisse nicht kursiv gesetzt wurden, wie das in der rassismuskritischen Sprache oft gemacht wird. Bei Letzterem ist der gute Wille nicht immer auch ganz umgesetzt, so kommen z. B. Aussiedler, Vertragsarbeiter etc. im generischen Maskulinum daher.
Fazit
Das Sachbilderbuch "Steck mal in meiner Haut! Antirassismus, Aufklärung und Empowerment" spricht praktisch jedes Thema an, das es rund um Rassismus anzusprechen gibt. Saskia Hödl und Pia Amofa-Antwi gelingt es, komplexe Sachverhalte kindgerecht zu erklären und den Eltern und Pädagog*innen wertvolle Hintergrundinformationen mitzuliefern. Sie sprechen die Zuhörer*innen - egal ob Kinder of Color oder weisse Kinder - direkt an, ermutigen sie und vermitteln Freude an der Diversität. Ein Kinderbuch, das ich von Herzen empfehlen kann, egal ob für Zuhause, für die Bibliothek, für den Kindergarten oder die Schule.
Die Fakten
Saskia Hödl, Pia Amofa-Antwi (Text)
Emily Claire Völker (Illustration)
EMF Verlag
48 Seiten
Erschienen am 26.04.2022
Hardcover
ISBN: 978-3-7459-0941-8
Ab 5 Jahren
PS: Herzlichen Dank an den EMF Verlag für das Rezensionsexemplar.
Antirassistische Bücher für Kinder und Erwachsene bei mint & malve
In einer losen Serie stelle ich euch antirassistische Kinder- und Jugendbücher und begleitende Bücher zum Thema für Erwachsene vor. Einen umfassenden Blogbeitrag zum Thema mit vielen weiteren Buchtipps habe ich zum Schweizer Vorlesetag geschrieben und möchte ich euch besonders ans Herz legen:
Ching Chang Stop - Dian Gohring (Carl-Auer Kids 2022)
Rassismus geht uns alle an - Josephine Apraku, Jule Bönkost, Meikey To (Carlsen 2022)
Gib mir mal die Hautfarbe. Mit Kindern über Rassismus sprechen - Olaolu Fajembola, Tebogo Nimindé-Dundadengar (Beltz & Gelberg 2021)
Harriet Tubman. Fluchthelferin bei der Underground Railroad. Aus der Sklaverei in die Freiheit - Ann Petry (Nagel & Kimche 2022)
Odo und der Beginn einer grossen Reise - Dayan Kodua, Robby Krüger (Gratitude Verlag 2021)
Sulwe - Lupita Nyong'o, Vashti Harrison (Mentor Verlag 2021)
Wie erkläre ich Kindern Rassismus? - Josephine Apraku und Le Hong (familiar faces 2021)
Die Farbe der Haut mit allen Sinnen - Joceline Altevogt, Justine Canga, Thomas Delaroziere (Nalingi 2021)
Harriet Tubman - Little People, Big Dreams - María Isabel Sánchez Vegara, Pili Aguado (Insel Verlag 2021)
Das Buch vom Antirassismus. 20 Lektionen, um Rassismus zu verstehen und zu bekämpfen - Tiffany Jewell, Aurélia Durand (Zuckersüss Verlag 2020)
Weitere Buchtipps für Kinder und Jugendliche und Lektüretipps für die Eltern oder Lehrpersonen finden sich unter dem Stichwort Rassismus bzw. allgemeiner Diversität und Vielfalt.
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