Morgen, morgen und wieder morgen
(Werbung) Gabrielle Zevin nimmt uns in ihrem Bestseller "Morgen, morgen und wieder morgen" mit in die Gamingwelt und erschliesst uns so ein ganzes Universum.
In den USA und Grossbritannien war der Roman "Morgen, morgen und wieder morgen" von Gabrielle Zevin 2022 ein voller Erfolg. Nun können wir ihn dank der Übersetzerin Sonia Bonné (siehe auch "Die Gesetzlose" von Anna North) auch auf Deutsch geniessen. Ich habe das über 500 Seiten starke Buch über Neujahr gelesen und bin froh, euch jetzt endlich davon erzählen zu können!
Eine besondere Freundschaft
Sadie und Sam begegnen sich in ihrer Kindheit bzw. frühen Teenagerjahren in einem Krankenhaus in Los Angeles. Sadie begleitet ihre an Krebs erkrankte Schwester Alice oft zu den Behandlungen, leistet ihr Gesellschaft. Sam hat einen schweren Autounfall überlebt, doch dabei seinen Fuss 27 Mal gebrochen. Die beiden verbringen ganze Nachmittage mit Videospielen, ihrer grossen Leidenschaft. Über das gemeinsame Hobby entwickelt sich schnell eine innige Freundschaft, die allerdings auf einem wackligen Fundament steht, weil Sadie nicht ganz offen ist zu Sam. Ihre Oma Freda warnt Sadie, aber die hört nicht auf sie:
"Freundschaft ist Freundschaft, und Wohltätigkeit ist Wohltätigkeit. (...) Es ist unmöglich, von einem Freund Wohltätigkeit zu erfahren." (S. 43)
So kommt es, wie es kommen muss und die Freundschaft zwischen dem "armen" Jungen aus Koreatown und dem "reichen" Mädchen aus den Flats (ein Teil von Beverly Hills) geht zwischenzeitlich auseinander. Erst im Studium treffen sie sich am anderen Ende der USA, in Cambridge, Massachusetts wieder. Und sie beginnen, gemeinsam Videospiele zu entwickeln. Eine Rolle spielen auch Sams Mitbewohner Marx, er hat wie Sam koreanische (sowie japanische) Wurzeln, und Dov, Sadies Dozent und Freund mit Wurzeln, Frau und Kind in Israel.
"Aber da war sie nun: Sadie Green in Person. Bei ihrem Anblick hätte er heulen können. Es fühlte sich an, als wäre sie ein mathematischer Beweis, der ihm jahrelang entgangen war..." (S. 16)
Beziehungen auf dem Prüfstand
Ihr merkt schon, das Beziehungskarussell dreht sich schnell in "Morgen, morgen und wieder morgen" - sei es nun in Bezug auf Freundschaften oder Liebesbeziehungen. Immer hinein spielen auch die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe, Problematiken wie Klassismus, Sexismus und Rassismus und der Umgang der Protagonist*innen damit. Und die eine oder andere Beziehung muss durchaus als toxisch bezeichnet werden. Sie alle haben neben der eh schon schwierigen Identitätssuche auch mit Trauer und Verlust umzugehen. Gleichzeitig begleiten wir sie in einer Zeit der kreativen Euphorie, einer Phase der schier unendlichen Schaffenskraft.
Ich bin nur so durch die Seiten dieses Romans geflogen, fand den Ausflug in die Gamingwelt spannend, erkannte so einige Spiele und andere popkulturelle Referenzen der 1990er-Jahre wieder. Ich konnte zwar nicht immer alle Entscheidungen oder Gedanken der Protagonist*innen nachvollziehen, was mich ab und zu verzweifeln liess. Wieso macht er/sie sich das Leben selber schwer? Sprecht doch einfach miteinander! Aber genau das macht wohl einen Teil des Sogs aus. Man wünscht ihnen so, dass alles gut geht und dann geschieht auch noch ein ganz grosses Unglück, das das gesamte Geflecht an Freundschaften und beruflichen Beziehungen zum Einsturz bringt.
"Sam bezweifelte, dass er etwas anderes fühlen konnte als Schmerz, und so sehnte er sich weniger nach dem Vergnügen als andere Leute. Am glücklichsten war er, wenn er gar nichts fühlte." (S. 276)
Gabrielle Zevin arbeitet geschickt mit Vor- und Rückblenden, wechselt gekonnt die Perspektive und lässt einen Teil des Buches sogar ganz in einem Game spielen. Was es damit auf sich hat, erfahren wir als Leser*innen natürlich nach und nach. Das Ende ist traurig und hoffnungsvoll zugleich - und es kommt viel zu früh. Denn man mag Sadie und Sam nach 560 Seiten gar nicht mehr loslassen, man wünscht sich, dass es wie in einem Game immer weitergeht: Morgen, morgen und wieder morgen.
Gabrielle Zevin spricht sehr viele Themen an und erzählt nicht alle aus. Inhalt und Message von "Morgen, morgen und wieder morgen" erscheinen relativ offensichtlich, ohne viele Metaebenen. Aber es ist allemal ein sehr unterhaltsamer, emotionaler, (fast) unkitschiger Roman mit Suchtpotenzial!
Fazit
"Morgen, morgen und wieder morgen" von Gabrielle Zevin ist ein literarischer Ausflug in die Gamingwelt und in das Aufwachsen und das (persönliche und berufliche) Sich-Finden von jungen, kreativen, ambitionierten Menschen in den USA. Sie alle haben ihren Rucksack zu tragen: Mal verzweifeln sie an den gesellschaftlichen Hürden, mal an der eigenen Unzulänglichkeit, mal am unfairen Schicksal und mal rücken sie mit 99 Leben hoffnungsvoll ins nächste Level vor.
Die Fakten
Gabrielle Zevin
Sonia Bonné (Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch)
Eichborn
560 Seiten
Erschienen am 24.02.2023
Hardcover
ISBN: 978-8479-0129-7
PS: Herzlichen Dank an den Eichborn Verlag für das Rezensionsexemplar.
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