Ein Baby! Wie eine Familie entsteht
Moderne und vielfältige Aufklärungsbücher - gerade für kleinere Kinder - waren lange doch eher Mangelware. Mit ihrem Sachbilderbuch "Ein Baby! Wie eine Familie entsteht" zeigen Rachel Greener und Clare Owen, dass Aufklärung auch offen, divers und ohne Klischees geht!
Unsere Kleinste (2 Jahre alt) findet es gerade sehr faszinierend, dass jeder Mensch mal ein Baby war. Natürlich sie selbst, das ist noch vorstellbar, wobei sie betonen muss, dass sie jetzt schon richtig gross ist. 😅 Aber auch Mama und sogar der Grossvater waren mal Babys. Unfassbar!
"Du warst einmal ein Baby - genau wie alle, die du kennst."
Mit diesem Einstieg ins Bilderbuch "Ein Baby! Wie eine Familie entsteht" holt Autorin Rachel Greener die Kinder (ab ca. 5 Jahren) also schon mal perfekt ab, schafft einen Bezug zu ihrer Lebensrealität. Und dann wird auch direkt mit ein paar Mythen wie dem Storch - in anderen Ländern sind Kohlköpfe und Stachelbeerbüsche im Spiel - aufgeräumt.
Im Folgenden erklärt die Autorin in einfachen Sätzen und (meist) mit den korrekten Bezeichnungen, wie wir Menschen aufgrund ihrer Geschlechtsorgane in Junge-Mädchen bzw. Mann-Frau einteilen und was die Geschlechtsorgane mit dem Kinderkriegen zu tun haben.
Schade ist, dass es hier noch beim binären Verständnis von Geschlecht bleibt und nicht direkt auch über inter und trans Menschen gesprochen wird. Also davon, dass das Geschlecht nicht immer eindeutig ist und dass Geschlecht und Gender auch voneinander abweichen können. Das folgt aber am Schluss des Buches noch auf zwei Erklärseiten, wo auch Sternenkinder und Frühgeburten angesprochen werden.
Schön ist auch, dass später im Buch von "der Person (...), in deren Bauch du gewachsen bist" gesprochen wird. Denn schwanger werden können nicht nur Frauen, sondern grundsätzlich Menschen mit Uterus (cis Frauen, trans Männer sowie non-binäre oder intersex Personen). Wenn wir schon bei Begrifflichkeiten sind: Toll ist auch, dass Rachel Greener konsequent von der "Vulva" spricht. Hingegen hätte die Autorin (bzw. Übersetzerin) ganz auf den Begriff "Scheide" verzichten können, auch wenn er teils in Ergänzung zur "Vagina" auftaucht. Die "Gebärmutter" könnte man auch "Uterus" nennen. Zum Begriff "Scheide" verlinke ich euch unten ein paar Bücher für Jugendliche und Erwachsene, die auf die Problematik des Begriffs aus feministischer Sicht eingehen.
Auf verschiedenen Wegen zur Familie
Das Kinderbuch zeigt sowohl die Entstehung eines Babys auf "natürlichem" Weg als auch die künstliche Befruchtung, sei es über eine Insemination oder eine In-vitro-Fertilisation. Wobei bei Letzterem nur die Methode mit Spermieninjektion (ICSI) gezeigt wird. Aber gut, ist ja immer noch ein Kinderbuch und die Komplexität ist für 5-Jährige doch schon eher hoch. Auch die Möglichkeit der Leihmutterschaft in einigen Ländern sowie die Adoption kommen zur Sprache.
Problematisch finde ich hier den Satz: "Wenn du adoptiert wurdest, siehst du vielleicht anders aus als deine Eltern oder Geschwister, mit denen du aufwächst, aber du wirst trotzdem geliebt." Das "trotzdem" legt ja irgendwie schon nahe, dass ein anderes Aussehen ein Grund sein könnte, ein Kind weniger zu lieben.
Von Spermium und Eizelle bis zum Baby
Danach werden schön einige Etappen der Schwangerschaft veranschaulicht und Mehrlingsschwangerschaften erklärt. Schliesslich geht es auf zur Geburt, sei es über eine Spontangeburt oder eine Sectio. Ich glaube tatsächlich, es ist unser erstes Bilderbuch, das einen Kaiserschnitt zeigt.
Das gesamte Buch zeigt, dass es ganz viele Möglichkeiten gibt, zur Familie zu werden und dass alle ihre Berechtigung haben. Besonders schön ist auch die Affirmation am Schluss:
"... aber jede Familie entsteht auf ihre eigene und besondere Weise. Du und deine Familie, ihr seid einfach grossartig - so wie ihr seid!"
Divers mit Luft nach oben
Illustratorin Clare Owen stellt die Körper in ihren Illustrationen schön divers dar, neben unterschiedlichen Hautfarben und Haarstrukturen, gibt es auch Körperformen, die leicht von der Normschönheit abweichen, aber wirklich nur leicht. Auch ein Rollstuhl taucht einige Male auf und paar Frauen tragen Kopftuch oder Kanga. In beiden Bereichen hätte man noch etwas mehr Einfallsreichtum und damit Diversität zeigen können, aber das ist Meckern auf hohem Niveau.
Fazit
"Ein Baby! Wie eine Familie entsteht" ist ein diverses Sachbilderbuch, das die Entstehung eines Babys und seiner Familie in ihrer ganzen Vielfalt darstellt. Ein spannendes Aufklärungsbuch, das Kinder ab 5 Jahren sicher interessiert, auch wenn sie erst etwas später alles verstehen werden.
Die Fakten
Rachel Greener (Text)
Clare Owen (Illustration)
Mika Maier (Übersetzung aus dem Englischen)
Penguin Junior
32 Seiten
Erschienen am 19.07.2021
Hardcover
ISBN: 978-3-328-30086-1
Ab 5 Jahren
PS: Herzlichen Dank an Penguin Junior für das Rezensionsexemplar.
Aufklärungsbücher
Im Bereich "Aufklärung" habe ich auf mint & malve bisher noch nicht viel rezensiert. Einige erzählerische Bücher thematisieren natürlich gewisse Aspekte davon. Im Bereich des Kindersachbuchs habe ich aber erst folgendes besprochen. Das soll sich nun nach und nach ändern.
Feministische Bücher für Jugendliche und Erwachsene
Busengewunder. Meine feministischen Kolumnen - Lisa Frühbeis (Carlsen 2020)
Stand up! Feminismus für alle - Julia Korbik (Kein & Aber 2019)
Sie hat Bock - Katja Lewina (Dumont 2020)
I'm every woman - Liv Strömquist (Avant 2019)
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