Die Liga der Superfeminist*innen
Zeit, euch wieder einmal einen Sachcomic vorzustellen. Marion Malle liefert mit "Die Liga der Superfeminist*innen" einen feministischen Werkzeugkasten für die Jugend von heute - und das mit einem Augenzwinkern!
Sachbücher sind trocken? Ganz bestimmt nicht dieser Comic von Mirion Malle für Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren (und gerne auch alle Erwachsenen). Von Grund auf erklärt die französische Comiczeichnerin, die in Montréal, Kanada, lebt, was in unserer patriarchalen Gesellschaft so alles falsch läuft - insbesondere in Bezug auf den traditionsreichen und immer noch vorherrschenden Sexismus.
Sie startet bei der mangelnden und verzerrten Repräsentation von Frauen und Mädchen in den Medien - vom Buch, über Serien bis zu Werbung und Computerspielen. Weibliche Figuren kommen erstens viel weniger vor, spielen zweitens seltener die Hauptrolle oder überhaupt eine tragende Rolle und werden drittens auch noch klischiert dargestellt. Die Klischees kennen wir: Prinzessinnen warten auf ihren Prinzen, Mädchen himmeln einen Jungen an und Freund*innen verschwören sich gegen andere Mädchengruppen oder alles gleichzeitig.
Die Folgen sind dramatisch: Mädchen mit 8 Jahren verlieren bereits an Selbstvertrauen, mit 10 finden sie ihren Bauch zu dick und zwischen 18 und 25 will sich jede Zweite lieber unter den LKW werfen, als dick zu sein!!!
Patriarchale Mechanismen und ihre Gegenmittel
Im Folgenden nimmt Mirion Malle die verschiedenen Problematiken rund um Sexismus auseinander. Sie spricht Themen wie Freundschaft, Liebe, Schönheit, Gender und Intersektionalität an. Nicht nur im Kapitel "Intersektionalität" geht sie neben dem Sexismus immer wieder auch auf andere -ismen wie Rassismus, Ableismus, Kapitalismus, Trans- und Homofeindlichkeit oder Fettfeindlichkeit ein.
Dabei legt sie den Finger - oder besser gesagt: ihren Stift - mit sarkastischem Humor in offene Wunden. Sie belässt es aber nicht beim Aufzeigen der patriarchalen Mechanismen, die zur Abwertung und Diskriminierung von Frauen und Mädchen und zu stereotypen Vorstellungen von Geschlechterrollen führen, sondern sie gibt auch Tipps an die Hand, wie diese aufgebrochen werden können. So geht es zum Beispiel darum, die genannten Mechanismen zu durchschauen, zu benennen und sich bewusst dagegen zu stellen (soweit das möglich ist), sich Safe Spaces zu suchen und sich zu verbünden.
Am Ende jedes Kapitels steht jeweils ein hilfreiches "Werkzeug", um Sexismus zu begegnen: So stellt sie zum Beispiel den Bechdel-Test - benannt nach Comiczeichnerin Alison Bechdel - zur Beurteilung von Filmen vor. Sie erklärt, wie inklusive Sprache funktioniert, was Konsens ist und was es eigentlich mit Privilegien auf sich hat. Und sie beantwortet die Frage, ob Feminist*innen eigentlich Männer hassen. Spoiler: Tun sie nicht, aber das wird ihnen gerne vorgeworfen. Von wem? Ihr dürft dreimal raten!
Wissensvermittlung im Comic-Format
Mirion Malle präsentiert uns Sachwissen über Feminismus auf unterhaltsame Weise. Das gelingt ihr über die humorvolle, oft sarkastische Vermittlung. Dabei wechselt sie ab zwischen Dialogen und erläuternden Informationen, baut immer wieder gute Schritt-für-Schritt-Werkzeuge und Übersichten ein, um Patriarchat und Misogynie den Kampf anzusagen und gibt begleitende Erklärungen in einfacher Sprache.
Während die Comiczeichnerin in der Analyse auf die strukturellen Diskriminierungen eingeht, bleibt sie in der Lösungssuche eher auf der individuellen (und auch kollektiven) Ebene. Auf mögliche strukturelle Lösungsansätze (zum Beispiel auf politischer Ebene) geht sie nicht ein, aber da wird es natürlich auch komplex. Vielleicht wäre das ja was für einen Fortsetzungsband. ;-)
Bestimmt werden nicht alle 10-Jährigen den Comic ohne Hilfe oder Nachfragen verstehen. Aber es ist ein gutes Alter, um in die Thematik einzusteigen bzw. sie zu vertiefen und man kann den Comic ja auch gemeinsam mit seinem Kind lesen und darüber diskutieren oder ihn auch kapitelweise in der Schule behandeln.
Fazit
Auf humorvolle Weise erfahren junge Leser*innen in Mirion Malles Comic "Die Liga der Superfeminist*innen" ganz viel über Feminismus (und das Patriarchat), über Geschlecht, Gender, sexuelle Orientierung und Intersektionalität. Und sie werden dazu ermutigt, sich nicht von irgendwelchen Geschlechterstereotypen einengen zu lassen, sondern einfach sich selbst zu sein - ob es nun den Kleidergeschmack, die Liebe oder die Berufswahl betrifft. Eine empfehlenswerte Lektüre für Feminist*innen und alle, die es werden wollen.
Die Fakten
Mirion Malle (Text und Illustration)
Ela zum Winkel (Übersetzung aus dem Französischen)
Orlanda Verlag
56 Seiten
Erschienen am 19.04.2023
Hardcover
ISBN: 978-3-949545-21-4
Ab 10 Jahren
PS: Herzlichen Dank an den Orlanda Verlag für das digitale Rezensionsexemplar.
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