"Change" und "The Hill We Climb" - zwei Bücher von Amanda Gorman
Amanda Gorman ist eine wichtige, ermutigende, Schwarze Stimme aus Amerika. Das beweist sie im Bilderbuch "Change" genauso wie in ihrem Gedicht "The Hill We Climb - Den Hügel hinauf" zu US-Präsident Joe Bidens Amtsantritt.
Es ist wieder einmal Zeit für ein Buchtandem - also je ein Buch für Kinder und eins für Erwachsene, die sich gut ergänzen. Die beiden Bücher von Amanda Gorman sind schon kurz nach Erscheinen bei uns eingezogen. Jetzt, wo wir für eine Weile in den USA leben und ein gewisser Ex-Präsident sich anschickt, wieder ins höchste Amt der USA zurückzukehren und das Land noch mehr zu spalten als in seiner ersten Amtszeit, ist es höchste Zeit, die beiden Werke der jungen Lyrikerin vorzustellen. Beide Bücher eint eines: Die Hoffnung auf Veränderung, Veränderung zum Guten, mehr Zusammenleben, mehr Akzeptanz, mehr Inklusion, mehr Überwindung von Ängsten und Heilen von Wunden.
Change. Eine Hymne für alle Kinder
Kommen wir zuerst zum Bilderbuch "Change", zu dem die Dichterin Amanda Gorman (geboren 1998 in Los Angeles, Kalifornien) den Text beigetragen hat und Loren Long, ein preisgekrönter amerikanischer Illustrator, die Bilder.
Amanda Gorman erzählt in Versen von einem Mädchen, das mit seiner Gitarre durch die Nachbarschaft geht und kleinere und grössere gute Taten vollbringt. So hilft sie einem (scheinbar jüdischen) Jungen beim Aufheben von Müll, bringt einer gebrechlichen, alten Frau Lebensmittel, baut eine Rampe für ein Mädchen im Rollstuhl usw. Auf ihrem Weg gibt sie jedem Kind, das sich ihr anschliesst, ein anderes Instrument, so dass die Band wächst und wächst. Gemeinsam tragen sie die Botschaft der Veränderung hinaus in die Welt. Mit dem Lied verbreitet das Mädchen bzw. später alle Kinder die Überzeugung, dass jede*r etwas Gutes tun kann, für sich selbst, für seine*ihre Mitmenschen und die Gemeinschaft. Und dass wir trotz all unserer Unterschiede gleich sind. Am Ende steht die Hoffnung, dass diese Kinder eine bessere Zukunft formen.
"Ich summe mit Hunderten Herzen, und jeder von uns reicht seine Hand. Ich nutze meinen Verstand, meine Stärken, beuge ein Knie für den Widerstand."
Joy Denalane und Daniela Seel haben diese Hymne, wie sie im Untertitel genannt wird, wunderbar ins Deutsche übertragen, so dass die Verse flüssig zu lesen sind und weiterhin wohlklingend daherkommen. Was bei Übersetzungen aus dem amerikanischen Englisch eine besondere Herausforderung ist, da die deutsche Sprache doch einiges sperriger ist und härter klingt.
Loren Long hat das Bilderbuch in intensiven Farben illustriert und liefert damit nicht nur die Hymne ergänzende Informationen, die helfen, die Botschaft zu verstehen. Er deckt damit auch so manche Vielfaltsdimension ab: Da gibt es junge und alte Menschen, einen Jungen mit Kippa, eine Mutter und ihr Sohn, die scheinbar arm sind, ein Mädchen (vielleicht Native American, vielleicht auch mit asiatischen Wurzeln) im Rollstuhl und Schwarze Kinder wie das singende Mädchen selbst. In Nebenrollen sind auch Personen zu sehen, die muslimisch sein könnten etc. Auch Martin Luther King ist, in Anlehnung an die real existierenden Mauerbilder von ihm, prominent in Szene gesetzt, so dass das Erbe des Afroamerikanischen Widerstands und die Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung mitschwingen.
Zuerst habe ich mich gewundert, dass ein weisser Mann das Buch von Amanda Gorman illustriert hat. Irgendwie wäre es doch schön gewesen, eine junge BIPoC hätte es bebildern können. Was ich aber wiederum ganz schön und irgendwie passend finde, ist, dass Loren Long farbenblind ist und bei der Erstellung seiner Bilder grosse Hindernisse überwinden muss. Das passt wiederum sehr gut zur Botschaft des Buches und zu Amanda Gorman selbst, die wiederum grosse sprachliche Schwierigkeiten hatte in ihrer Kindheit. Und die Illustrationen sind ja auch von sehr hoher Qualität. Mein Hinweis soll also in keiner Weise eine Kritik an den Bildern darstellen. Vielleicht hatte die Wahl des Illustrators auch damit zu tun, dass er bereits Barack Obamas Kinderbuch bzw. seinen Brief an seine Töchter "Of Thee I Sing" illustriert hat? Das ist wäre auch eine wunderbare Verbindung.
Die Fakten
Amanda Gorman (Text)
Loren Long (Illustration)
Joy Denalane, Daniela Seel (Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch)
Hoffmann und Campe
48 Seiten
Erschienen am 22.09.2021
Hardcover
ISBN: 978-3-455-01266-8
Ab 4 Jahren
Buch kaufen bei genialokal (DE)* (derzeit nur auf Englisch verfügbar)
The Hill We Climb - Den Hügel hinauf
Mit 22 Jahren hielt Amanda Gorman das Gedicht "The Hill We Climb - Den Hügel hinauf" bei der Amtseinführung des 46. amerikanischen Präsidenten Joe Biden. Damit ist sie die jüngste Dichterin, die je bei einer Vereidigung ein Gedicht vortrug.
Wie es der Titel schon anklingen lässt, handelt auch dieses Gedicht von der Hoffnung und wird vom Optimismus getragen, dass eine bessere, friedlichere, solidarischere Zukunft möglich ist. Amanda Gorman macht darin aber auch vor den dunklen Kapiteln amerikanischer Geschichte nicht Halt - spricht die Sklaverei an und die vorangegangene, verheerende Amtszeit von Donald Trump mit dem traurigen und beängstigenden Nachspiel des Sturms auf das Kapitol. Dieser Bedrohung der Demokratie stellt sie die Hoffnung gegenüber, die nicht zuletzt mit dem neu antretenden Präsidenten und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris (siehe Buchtipp dazu) verbunden war und noch ist.
"Wir streben vielmehr nach Verbundenheit, gemeinsamen Perspektiven und Zielen. Ein Land für Menschen aller Art, jeder Kultur und Lage, jeden Schlags. Und so lenken wir den Blick nicht auf das, was zwischen uns steht, sondern auf das, was vor uns liegt." (S. 21/23)
Es handelt sich um eine zweisprachige Ausgabe. Das englische Original steht also der Übersetzung von Uda Strätling, Hadija Haruna-Oelker und Kübra Gümüsay (ihr kennt sie bestimmt von ihrem Sachbuch "Sprache und Sein") direkt gegenüber. Das ist sehr spannend und weist auch auf einige Differenzen hin, die der besseren Lesbarkeit, dem Klang und der Metrik geschuldet sind. In diesem Zusammenhang sind auch die Erläuterungen des Übersetzerinnen-Teams im Anhang sehr interessant und lesenswert. Gerade in obigem Zitat, geht der Begriff "colors" verloren, der natürlich auf Schwarze Menschen, Rassismus gegen Schwarze und Colorism anspielt.
Das Gedicht ist durchaus auch pathetisch und appelliert an den amerikanischen Nationalstolz, der zumindest mir als Schweizerin eher suspekt ist. Aber das soll für eine Inauguration eines amerikanischen Präsidenten und einen so geschichtsträchtigen Auftritt ja auch erlaubt sein.
Das Buch, das wie das Bilderbuch bei Hoffmann und Campe erschienen ist, hat keine Altersempfehlung. Ich würde es durchaus schon für Jugendliche empfehlen. Gerade die zweisprachige Ausgabe lässt sich perfekt für den Englisch-Unterricht nutzen. Natürlich gibt es auch für Geschichte, Politik oder ähnliche Fächer viel her.
Wie Amanda Gorman ihr Gedicht vorgetragen hat, könnt ihr natürlich auch nachschauen, so eindrücklich! Ich hoffe, die Amerikaner*innen besinnen sich vor den nächsten Wahlen 2024 darauf!
Die Fakten
The Hill We Climb - Den Hügel hinauf (zweisprachige Ausgabe)
Amanda Gorman (Text)
Uda Strätling, Hadija Haruna-Oelker, Kübra Gümüsay (Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch)
Hoffmann und Campe
64 Seiten
Erschienen am 30.03.2021
Hardcover
ISBN: 978-3-455-01178-4
PS: Herzlichen Dank an den Hoffmann und Campe Verlag für die Rezensionsexemplare.
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