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Afrika ist kein Land - Reisegeschichten von Angola bis Madagaskar

Reisegeschichten aus afrikanischen Ländern gefällig, die die Vielfalt dieses Kontinents abbilden und den eurozentrischen Blick und die Kolonialzeit kritisch hinterfragen? Dann greift zu "Afrika ist kein Land" von Jennifer McCann.


Lest ihr oft Reiseberichte? Ich ehrlich gesagt sehr selten. Und gerade, wenn sie von Reisen in Afrika handeln, fürchte ich mich immer etwas davor, einen stereotypen "weissen" Blick auf den so vielfältigen Kontinent zu erhalten. Eine Ausnahme mache ich da beim Reisedepeschen Verlag, denn da bin ich sicher, dass die Qualität stimmt, erst recht, wenn das Buch den Titel "Afrika ist kein Land" trägt wie dasjenige von Jennifer McCann.


So macht die Autorin schon von Beginn an deutlich, dass es DAS Afrika nicht gibt und dass sie keine stereotypen Bilder von Giraffensilhouetten vor der rot glühenden Abendsonne der Serengeti reproduzieren möchte. Und im Vorwort macht sie auch klar, dass sie ihren unvermeidbar eurozentrisch geprägten Blick, ihre Privilegien und die rassistische Sozialisation sowie durch Filme, Bücher und andere Berichte vorgeprägte Bilder Afrikas immer wieder kritisch hinterfragt.


Und sie möchte...

"...ergründen, wie die Jahrhunderte des Kolonialismus ihr Leben noch immer beeinflussen, und die Verantwortung verstehen, die daraus für mich erwächst." (S. 11)

Und das tut sie auch durchgehend, etwa wenn sie sich fragt, ob die Besteigung des Kilimandscharo "den Beigeschmack eines kolonialen Aktes hatte." (S. 18) Oder wenn sie sich fragt, ob ihr Freiwilligendienst für eine NGO in den Drogencamps von Daressalam (Tansania) überhaupt einen Sinn hatte.


Jennifer McCann erzählt nicht nur von ihren Abenteuern von Reisen in Zentral- und Ostafrika, sondern setzt ihre Erlebnisse immer in Bezug mit der Geschichte des Landes, die gleichzeitig eine Geschichte des Kolonialismus ist. Als sie davon erzählt, wie sie mit einer Freundin an einer Grenzstation zwischen Uganda und Kenia festgehalten wurde, erzählt sie auch von der Kongokonferenz von 1884 in Berlin, an der Afrika zwischen den Kolonialmächten aufgeteilt wurde.


"Und so geschah es, dass es kaum eine von den Europäern geschaffene Grenze gab, die nicht eine Volksgruppe auseinander riss. Bis heute prägen sie den Kontinent." (S. 49)

Wir lernen mit ihr ganz unterschiedliche Länder und ihre Menschen kennen. Das bleibt natürlich fragmentarisch und auch Jennifer McCann hat keine Patentlösung für das korrekte Verhalten auf solchen Reisen oder den Umgang mit Hilfs- und Entwicklungsprojekten, die sich der Problematik des White saviorism stellen müssen. Aber sie vermittelt mit ihren Reisegeschichten ein facettenreiches Bild von einem sehr vielfältigen Kontinent jenseits von Safari-Postkarten-Klischees.


Sie ermuntert dazu, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen sowie das eigene Verhalten und den Blick auf gewisse Situationen immer kritisch zu hinterfragen. Und sie liefert spannendes Wissen, das unseren eurozentrischen Blick herausfordert. Oder wusstet ihr, dass es in Gross-Simambwe eine Ruinenstadt von einer früheren Hochkultur gibt? Eine Ruinenstadt, die einst ein Königreich und Ausgangspunkt einer wichtigen Handelsroute - zum Beispiel für Gold - bis nach Europa war. Eine Stadt, in der im 11. Jahrhundert etwa gleichviele Menschen lebten wie zur gleichen Zeit in London.



In "Afrika ist kein Land" durchkämmt Jennifer McCann den tropischen Regenwald, hält Ausschau nach roten Varis, erklimmt Vulkane und Berge, fliegt über das Hochplateau des Sambesi, besucht die Namib-Wüste und Drogencamps in Daressalam, streitet mit Grenzbeamten und Busfahrern, sucht einen ominösen tansanischen Heiler auf und lernt vor allem ganz viele Menschen kennen, die ihr von ihrem Leben, ihrem Land und seiner Geschichte erzählen.


Wie immer bei Reisedepeschen ist das Buch auch wunderschön gestaltet. Die Grenzen der afrikanischen Länder auf dem Cover sind eingeprägt, so dass es etwas den Eindruck eines Puzzles macht und zum haptischen Erlebnis wird. Die Kapitel beginnen jeweils mit einem Bild einer bemalten Mauer, die inhaltlich zum nachfolgenden Reisebericht passt. Das Lesebändchen rundet die Gestaltung ab. Kein Wunder, landete das Buch auf der Shortlist 2022 von "Die schönsten Deutschen Bücher" der Stiftung Buchkunst.


Fazit

Jennifer McCann gelingt es mit "Afrika ist kein Land", uns einen facettenreichen Kontinent mit eindrücklicher Natur und leidvoller Geschichte näherzubringen. Sie verbindet unterhaltsame Reisegeschichten mit sehr persönlichen Einblicken, interessanten Informationen und geschichtlichen Exkursen in die Kolonialzeit, die bis heute nachwirkt. Dabei schaut sie auch immer wieder kritisch auf ihre Rolle als weisse, privilegierte Reisende. Ein Buch, das Lust macht, afrikanische Länder von Angola, über Ruanda und Gabun bis nach Mosambik und Madagaskar und vor allem ihre Bewohner*innen einst selber kennenzulernen - jenseits von Klischees!


Die Fakten

Jennifer McCann (Text)

Johannes Klaus (Illustration und Gestaltung)

Reisedepeschen Verlag

256 Seiten

Erschienen am 01.05.2021

Hardcover mit Lesebändchen

ISBN: 978-3-96348-014-0




Ebenfalls bei Reisedepeschen erschienen ist von Jennifer McCann: "Reisedepeschen aus Bolivien und Peru"


PS: Herzlichen Dank an Reisedepeschen und Claudia Jucker für das Rezensionsexemplar.



Lust auf noch mehr Afrika in Buchform? Dann schaut euch auch diese #ownvoices-Bücher von afrikanischen Autorinnen an!



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