Kinderbücher in allen Farben
„In allen Farben“ ist das Motto der Schweizer Erzählnacht am 9. November 2018. Ein wunderbares Thema, das viel Raum für Interpretation lässt. Ich habe Anna vom Blog kinderwärts und Leiterin eines Malorts in Zürich – also DIE Farbexpertin schlechthin – gebeten, uns ihre liebsten bunten Kinderbücher vorzustellen und uns etwas über das Malspiel zu erzählen.
Bild: Copyright Anna Noss.
Vorausschicken möchte ich nur ganz kurz die Website der Schweizer Erzählnacht und meine Pinnwand zum Thema „In allen Farben“.
Hier findet ihr viele weitere Buchtipps in allen Farben des Regenbogens. Und nun übergebe ich das Wort an Anna:
Viele, viele bunte Bücher
Man könnte meinen, ich habe die Fragestellung nicht ganz verstanden, wenn ich euch gleich meinen ersten Kinderbuch-Favoriten vorstelle. Soll es doch um Farben gehen. Doch, doch ich habe es verstanden und trotzdem steht für mich ganz vorne ein Buch, das mich völlig fasziniert, welches vielleicht aber auf den ersten Blick etwas farblos wirkt.
Das schwarze Buch der Farben
Ein sehr besonderes Bilderbuch, durch und durch schwarz. Auf den zweiten Blick werdet ihr erkennen, dass dieses Buch nicht farblos ist. Die Farben werden auf der einen Seite beschrieben: Wie riecht zum Beispiel gelb? Wie schmeckt es? Wie fühlt es sich an? Wie der Flaum eines Küken/Bibeli? Der Text ist auch in Braille-Schrift wiederholt. Auf der anderen Seite sind die beschriebenen Dinge reliefartig abgedruckt und mit den Fingerspitzen erfühlbar. «Das schwarze Buch der Farben» von Menena Cottin und Rosana Faría ist ein Buch für alle Sinne, das für Kinder (ab 2 Jahren) und Erwachsene wunderbar ist und alle erahnen lässt, wie es ist, blind zu sein.
Heute bin ich
Hier geht es um einen Fisch, der Gefühle zeigt. In knalligen bunten Kreidefarben liegt der Schwerpunkt im Bilderbuch von Mies van Hout auf dem Thema Emotionen und Bedürfnisse. Wir sprechen viel zu selten über unsere Gefühle und in meiner Arbeit in Kita, Schule und Sozialarbeit habe ich stets Literatur gesucht, die mich bei diesem so wichtigen Thema unterstützt. Die Fische und Farben sind ein Fest für die Augen.
«Heute bin ich» kann man genauso gut für die Arbeit mit Erwachsenen verwenden, denen es meist ebenso schwerfällt, vermutlich genau aus dem Grund, dass sie als Kind nicht gelernt haben, differenziert über ihre Gefühle zu sprechen. Oft kennen wir nur Wut, Traurigkeit und Freude. Konflikte und herausfordernde Situationen lassen sich jedoch viel leichter verstehen und oft auch lösen, wenn wir eine Ahnung von unseren vielen verschiedenen Gefühlen haben, sie annehmen und benennen können.
Frederick
Nummer drei ist der kleine Frederick, das ist wirklich keine Neuheit, aber eins meiner absoluten All-time-Lieblingsbücher. Schon seit meiner Kindheit kenne ich Frederick. Frederick, die kleine Maus, ein wunderbares Kinderbuch von Leo Lionni mit wenig Text, schönen Collagenbildern und großer Botschaft.
Immer wenn es Herbst und Winter wird, krame ich das kleine Büchlein (es ist noch die Version von damals) hervor, lasse mich von Frederick verzaubern und auf den Winter einstimmen.
Eine emsige Mausfamilie sammelt den ganzen Sommer über Vorräte für den kalten, langen Winter. Alle arbeiten hart, bis auf eine kleine Maus, die offensichtlich faul daneben sitzt. Keiner versteht, was sie da tut. Die kleine Maus Frederick sammelt andere Dinge… Als der Winter nicht enden will und die vielen Vorräte aufgebraucht sind, rückt Frederick mit seinen Vorräten heraus. Er hat wärmende Sonnenstrahlen gesammelt, auch bunte Farben (rot wie Mohn oder blau wie die Kornblumen) und viele, viele Wörter für Poesie und Gedichte. Hier findet ihr auf meinem Blog ein paar praktische Ideen für die Herbst- und Winterzeit, passend zum Frederick-Buch.
Der Malort
Ich freue mich wahnsinnig, dass MINT & MALVE mich zum Thema Farben angefragt hat. Seit ein paar Jahren spielen nämlich Farben eine besondere Rolle in meinem Leben und seit diesem Herbst habe ich einen Malort in Zürich. Hier male ich mit Kindern und Erwachsenen. Dorthin ist jeder herzlich eingeladen, mit bunten Farben auf grossen Bildern zu malen. Egal, ob man Erfahrung mit Pinsel und Farbe hat oder nicht, egal ob man 3, 13, 43 oder 103 Jahre alt ist, dort ist jede*r herzlich willkommen!
„Jenseits von richtig und falsch, liegt ein Ort, dort werde ich dich treffen.“ ist eines meiner Lieblingszitate von Rumi.
Denn im Malort geht es nicht um richtig oder falsch, gut oder schlecht. Jede*r darf malen, was er/sie möchte. Niemand wird es bewerten oder kommentieren. Ich stehe jedem zur Seite, wenn es um Papier, Farbe und Pinsel geht.
Über das Malspiel
Das Malspiel ist eine ursprüngliche Form des Malens. Es gibt keine Vorgaben oder Grenzen in Bezug auf das Gemalte. Feste Rituale und einige Spielregeln ermöglichen diese Freiheit. Im Malort kann man sich einer Sache hingeben, vertiefen, achtsam seine Spuren auf dem Papier hinterlassen.
Eine unendliche Geschichte
Im Malort gibt es keine Grenzen. Jeder kennt zum Beispiel das typische Bild mit dem Haus, dem Schornstein und dem Weg davor. Im Malort gibt es die Möglichkeit, diesen Weg weiter wachsen zu lassen. Das heißt, dem ersten Blatt weitere hinzuzufügen und so dieses Abenteuer weiter erleben zu dürfen. Vielleicht sogar bis ins Unendliche, denn man kann so viele Blätter anfügen, wie man möchte.
In dieser geschützten und angenehmen Atmosphäre kann sich jede*r frei entfalten und dies brauchen wir so dringend für unsere Entwicklung. In Kindergärten und Schulen ist dies oft leider nicht mehr möglich. Sie funktionieren nach einem Benotungs- und Bewertungssystem. Auch in unserer Gesellschaft, die auf Leistung, Medien und Konsum basiert, befinden wir uns in einem ständigen Bewertungssystem.
Arno Stern
Arno Stern hat vor 70 Jahren angefangen, mit Kindern zu malen und tut dies seitdem (heute immer noch mit 94 Jahren). Zu Beginn seiner Tätigkeit hat er die Kinder beobachtet und eben festgestellt, dass sie malten, so wie sie spielten. Alle Kinder liebten es, zu malen und genossen die bunten Spuren auf dem Papier. Sie taten dies völlig selbstvergessen. Er griff niemals in das Gemalte ein und kommentierte es nicht. So können Kinder „malspielen“ ohne Kommentare von Erwachsenen wie „Was malst du denn Schönes?“, „Was soll das denn darstellen?“, „Das ist aber schön“, „Toll gemacht“, „Ist das für mich?“, …
Wenn wir Kinderbilder bewerten und besprechen, übernehmen Kinder diese Haltung und lernen, dass jedes Bild also etwas darstellen muss, schön sein soll, gefallen muss und am besten an die Oma, Tante, Mama verschenkt wird. Das entspricht nicht ihrem (und unserem) ursprünglichen Bedürfnis.
Wer Lust hat, tiefer in diese Thematik des Malspiels, aber auch der Betrachtung von Kinderbildern einzutauchen, empfehle ich das Buch von Arno Stern: „Wie man Kinderbilder nicht betrachten soll“.
Und alle Menschen in und um Zürich lade ich sehr herzlich in meinen Malort ein. Melde dich gerne für eine unverbindliches Vorgespräch bei mir :).
Anna Noss findet Kinder toll! Sie lebt und arbeitet in Zürich, ist aber regelmässig in ihrer langjährigen Wahlheimat Berlin. Sie ist Pädagogin und schreibt für alle, die mit Kindern in Kontakt sind, einen Blog: www.kinderwaerts.de
Seit diesem Sommer widmet sie sich mit viel Herz ihrem neuen Projekt, dem Malort in Zürich für Kinder und Erwachsene: www.meinmalort.ch
Sie hat schon immer gerne gemalt und sagt, wenn sie einen Pinsel in der Hand hält, geht es ihr automatisch besser.
Kinderwärts und „Mein Malort“ gibt es auch in den sozialen Medien:
Bilder (ausser Buchcover): Copyright Anna Noss.
Buchcover: Copyright bei den jeweiligen Verlagen.
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