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Ein Teppich der Gefühle

Arja Lobsigers Romandebüt "Jonas bleibt" erzählt eine sehr schwere Geschichte von Verlust und Trauer. Und doch bleibt man dran und geniesst das Buch. Wie schafft die Autorin das?

Jonas bleibt, Arja Lobsiger, orte Verlag, 2017

Als Mutter, Vater, Bruder oder Schwester ist es die Horrorvorstellung: Der Sohn oder Bruder ertrinkt im eiskalten Fluss. In "Jonas bleibt" ist genau das die Ausgangslage, die alles verändert, das Familienleben inexistent werden lässt, die Angehörigen auf sich selbst zurückwirft. Die Schilderung von Finns Unfall aus seiner eigenen Perspektive und der Sicht seiner Schwester Etna ist kaum zu ertragen. Was einen weiterlesen lässt, ist Arja Lobsigers Sprache: Knappe, einfache Sätze, an amerikanische Autoren erinnernd, die poetische Bilder zeichnen. So entsteht an vielen Stellen Poesie, eine Leichtigkeit, die sich kaum in Worte fassen lässt.

Mit dem Verlust des Sohnes und Bruders gehen die drei Familienmitglieder unterschiedlich um: Die Mutter Alice wird depressiv, bis sie sich nach Jahren losreist, in den Süden flieht, ohne eine Spur zu hinterlassen. Der Vater Jonas wird zum kauzigen, schweigenden Bewohner des zum Abbruch verdammten Hauses und freundet sich im verwilderten Garten mit einem Fuchs an. Die Schwester Etna macht sich Vorwürfe, dass sie den Tod des Bruders nicht verhindern konnte und distanziert sich von der Familie.

Nach und nach erfahren wir mehr aus dem Leben der drei. Vor allem von Jonas: von seinem Konkurrenzkampf mit dem Bruder, von seiner Beziehung zu Hannah, von seiner Emanzipation vom Vater. Das Spezielle: Die Passagen aus Sicht von Jonas sind im Präsens formuliert, diejenigen von Alice im Präteritum. Das hilft zwar beim Wechseln zwischen den beiden Perspektiven, aber verwirrt in Bezug auf die Ansiedlung der Handlung. Findet Alice' Reise gleichzeitig statt wie Jonas im Haus auf dessen Abriss wartet? Oder findet beides zu unterschiedlichen Zeiten statt? Auch recht schwer einzuschätzen ist, wie alt Etna ist. Wie viel Zeit zwischen dem Tod ihres Bruders und ihrem Auszug liegt. Der Roman lässt hier viel ungeklärt. Aber auch über diese Unsicherheiten und Lücken trägt der Text.

Fazit

Arja Lobsiger webt in ihrem Debüt "Jonas bleibt" einen bildstarken Teppich der Gefühle. Die Geschichte rankt sich wie das Efeu im verwilderten Garten hinter Jonas' Haus um die Protagonisten, um Vergangenheit und Gegenwart, um Trauer, Aussichtslosigkeit, Schuld und etwas Hoffnung. So ist der Roman zwar inhaltlich schwere Kost, aber die Autorin bringt den Text mit ihrer Sprache zum Schweben.

PS: Wer sich für die neunjährige Entstehungsphase des Romans interessiert, dem sei das Interview meiner Kollegin Daniela von livricieux mit der Autorin empfohlen.

Die Fakten

Jonas bleibt

Arja Lobsiger

orte Verlag

128 Seiten

Erschienen am 21.08.2017

ISBN: 978-3-85830-224-3

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